Liechtenstein ist auf Grund des EWR-Abkommens verpflichtet, den ökologischen Zustand seiner Gewässer bis 2021 zu verbessern. Das Land verharre in Untätigkeit und erfülle deshalb seine rechtlichen Verpflichtungen nicht, sagen die Werkstatt Faire Zukunft, die Liechtensteinische Gesellschaft für Umweltschutz LGU, der WWF St. Gallen und der Naturschutzbund Vorarlberg an einer Medienorientierung am 22. Januar 2018 in Ruggell.
Die detaillierten Stellungnahmen der Organisationen:
Stellungnahme der Werkstatt Faire Zukunft
Stellungnahme der Liechtensteinischen Gesellschaft für Umweltschutz LGU
Gemeinsame Stellungnahme WWF St. Gallen und Naturschutzbund Vorarlberg
Die Wasserrahmenrichtlinie der EU verpflichtet die Mitgliedsstaaten nicht nur sorgsam mit ihren Gewässern umzugehen, sondern auch deren ökologischen Zustand zu verbessern. Das Gesetzeswerk wurde 2007 ins EWR-Abkommen übernommen. Das liechtensteinische Gewässerschutzgesetz wurde 2011 entsprechend angepasst. Damit ist Liechtenstein verpflichtet, Massnahmen zu ergreifen, die den Zustand der Gewässer verbessern. Dies beinhalte auch die Revitalisierung der Gewässer, vor allem durch Aufweitungen am Alpenrhein, betonen die Umweltorganisationen.
Umweltorganisationen kritisieren Untätigkeit der Regierung
Bis 2016 hätte die Regierung einen „Bewirtschaftungsplan und Massnahmenprogramm nach Wasserrahmenrichtlinie“ vorlegen müssen. Ein Entwurf dazu wurde der Öffentlichkeit im Sommer 2017 zur Vernehmlassung vorgelegt. Die LGU, die Werkstatt Faire Zukunft, der WWF und der Naturschutzbund Vorarlberg äussern sich in ihren Stellungnahmen sehr kritisch zum vorliegenden Entwurf, wie sie an einer Medienorientierung dargelegt haben.
Die Regierung müsste gemäss Gewässerschutzgesetz bis 2021 ökologische Defizite im Grenzfluss Alpenrhein und im Liechtensteiner Gewässernetz beheben. Die Frist für die Umsetzung geeigneter Massnahmen kann verlängert werden, sofern begründbare Umstände vorliegen. Im Entwurf für den Bewirtschaftungsplan und dem Massnahmenprogramm finden sich nach Aussage von Monika Gstöhl, Geschäftsführerin der LGU, allerdings nur wenige vage Verbesserungsvorschläge, aber keine konkreten, griffigen und terminierten Massnahmen. „Das ist nicht erstaunlich, denn die Regierung hat in all den Jahren noch nicht einmal die ökologischen Zielzustände festgelegt. Deshalb weiss sie auch nicht, welche Massnahmen zu ergreifen sind, um die Ziele zu erreichen.“. Das Risiko, die Ziele der Wasserrahmenrichtlinie und des Gewässerschutzgesetzes nicht fristgerecht erreichen zu können, werde im Bericht nur aufgrund der heutigen Gewässerzustände „analysiert“. Ob Massnahmen zur Gewässerverbesserung fristgerecht umgesetzt werden können, könne nach dem Dafürhalten der LGU aber erst abgeschätzt werden, wenn diese Massnahmen auch bekannt seien. „Mit dem vorliegenden Berichtsentwurf, wird das Potential nicht genutzt, das ein gut ausgearbeiteter Bewirtschaftungsplan und Massnahmenprogramm für unsere Gewässer bietet“, konstatiert Gstöhl ernüchtert. „Es wären genügend Grundlagen vorhanden, um endlich konkret zu werden und unsere Gewässer tatsächlich zu verbessern“.
Gesetzeswidriger Zustand
Andi Götz von der Werkstatt Faire Zukunft findet es besonders stossend, dass die Regierung im Bericht zwar festhält, dass sie sich ihrer Verpflichtungen bewusst ist, dem aber keine Taten folgen lässt. Der Alpenrhein und der Binnenkanal hätten das grösste ökologische Potenzial der Liechtensteiner Gewässer, schreibe die Regierung, und man sei sich der gesetzlichen Verpflichtungen bewusst. „Solange Massnahmen technisch machbar und vertretbar sind, ist das Potenzial nicht erreicht. Entsprechend sind alle verträglichen Massnahmen für die Sanierung umzusetzen“, zitiert Götz aus dem Bericht der Regierung. In diesem Bericht suche man aber vergeblich nach wirkungsvollen konkreten Massnahmen und entsprechenden Zeitvorgaben. So sei zu befürchten, dass die Regierung noch lange in diesem gesetzeswidrigen Zustand zu verharren gedenke.
Koordination mit den Nachbarn fehlt
Lukas Indermaur vom WWF berichtete über die Situation in den Nachbarländern. Für kaum ein Gewässer in Mitteleuropa seien so gute Grundlagen und Studien vorhanden wie für den Alpenrhein. „Wir haben uns deshalb ungläubig die Augen gerieben, dass die Festlegung des Zielzustandes für den Rhein derart hartnäckig vermieden wird“. Im Bericht würden die Schweizer Gesetzgebung und weitere massgebende Grundlagen am Grenzfluss Alpenrhein vollständig ausgeblendet. Insbesondere im Entwicklungskonzept Alpenrhein sei vieles vorgezeichnet, und den Umsetzungswillen dazu hätte auch die Regierung Liechtensteins im 2005 bekundet. Es sei ein Affront, dass die Schweiz und Österreich massive Sanierungsanstrengungen am Rhein unternähmen, während das Fürstentum in Lethargie verharre. Am Unterlauf unterhalb der Illmündung-Bodensee wird der revitalisierte Rhein etwa eine Milliarde kosten – ab 2022 soll gebaut werden. Am Oberlauf werden dreistellige Millionenbeträge in die Sanierung des Schwalls der Wasserkraftwerke investiert. Die Rheinaufweitung bei Bad Ragaz – Maienfeld wird in den nächsten 5 Jahren für 30 Millionen umgesetzt. Und Liechtenstein hat Ende 2016 die Festlegung der Ziele verpasst, was immer noch hängig ist, und will schon jetzt vorsorgliche Fristverlängerung für die Massnahmenumsetzung?
Keine Informationen für die Öffentlichkeit
Die Umweltorganisationen wiesen auch darauf hin, dass sowohl die Wasserrahmenrichtlinie wie auch das Liechtensteinische Gewässerschutzgesetz das Land zu einer „aktiven Beteiligung aller interessierten Stellen“ verpflichte. Dies habe man sträflich vernachlässigt. Statt dass die Regierung die Bevölkerung aktiv informiere und den Dialog mit Gemeinden, Bürgergenossenschaften, Landwirtschaft und Umweltverbänden suche, habe sie tatenlos zugeschaut, wie die Diskussionen in den sozialen Medien und auf den Leserbriefseiten emotional geführt werden.
Die Organisationen fordern die Regierung nun auf, einen „echten Bewirtschaftungsplan und ein griffiges Massnahmenprogramm mit klar definierten und grenzüberschreitend abgestimmten Massnahmen statt vager Zielvorstellungen“ vorzulegen. Das Ganze sei mit einem verbindlichen Zeitplan auszustatten und die Öffentlichkeit sei aktiv zu informieren. Die Regierung müsse endlich zur Kenntnis nehmen, dass die Revitalisierung der Liechtensteiner Gewässer eine gesetzliche Verpflichtung darstelle und dass Liechtenstein weit hinter dem vorgeschriebenen Zeitplan herhinke.