
Die Werkstatt Faire Zukunft erachtet die Herangehensweise Liechtensteins und St. Gallens in Sachen Rheindammsanierung als inakzeptabel. Es kann nicht sein, dass man ein Generationenwerk am Alpenrhein ohne Gesamtschau mit einem Flickwerk ohne Einbezug der Umweltorganisationen anpackt.
In einer Medienmitteilung gaben die zuständigen Regierungsrätinnen und die beiden Rheinbauleiter von Liechtenstein und St. Gallen bekannt, dass sie die Rheindämme ertüchtigen werden und dass man damit an neuralgischen Stellen bereits im Herbst 2021 beginnen werde.
Der Rhein ist in einem ökologisch sehr schlechten Zustand, er ist weitgehend ein lebloser Kanal geworden. Die Umweltorganisationen hüben und drüben haben deshalb seit längerer Zeit immer wieder verlangt, dass die Dammsanierungen in ein Gesamtkonzept eingebettet werden, in dem auch die ökologische Aufwertung des Rheins geplant wird. Die Gesetzeslage ist in Liechtenstein und in der Schweiz klar: Bauwerke am Fluss sind nicht zulässig, ohne die ökologische Situation zu verbessern und den natürlichen Gewässerverlauf wo immer möglich wiederherzustellen. Der Liechtensteinische Verwaltungsgerichtshof hat dieses Jahr in einem wegweisenden Urteil Klartext gesprochen. Die Aufweitungen des Alpenrhein zur Verbesserung der ökologischen Situation sind im Entwicklungskonzept Alpenrhein zwischen den betroffenen Staaten Österreich, Liechtenstein und Schweiz sowie mit den Kantonen St. Gallen und Graubünden und dem Vorarlberg vereinbart worden. Der Verwaltungsgerichtshof erachtete es im erwähnten Fall als nicht zulässig, dass man mit Veränderungen am Rhein Fakten schafft, die Rheinaufweitungen faktisch verunmöglichen. Würde man nun Millionen in die Ertüchtigung der Dämme investieren, würde man damit die Aufweitung an den gleichen Stellen für Jahrzehnte zurückstellen.
Zumindest die gemeinsam von Liechtenstein und der Schweiz zu planende Aufweitung Sevelen-Vaduz ist schweizerseits von Sanierungsplänen betroffen. Es kann nicht angehen, dass man hier anstelle einer Aufweitung eine kostenintensive Dammverstärkung vornimmt. In den bisherigen Ausführungen haben die Rheinbauleiter immer davon geredet, dass auch Aufweitungen als Sanierungsmassnahmen in Betracht kämen. Hier will man nun auf einer Aufweitungsstrecke gemäss Entwicklungskonzept Alpenrhein den Fluss nicht aufweiten, sondern die Aufweitung mit einer Dammverstärkung faktisch auf den Sanktnimmerleinstag verschieben; dies ist nicht akzeptabel und kaum mit der geltenden Gesetzgebung in Einklang zu bringen.
Gemäss der Medienorientierung von Liechtenstein und St. Gallen sind die ersten Sanierungen schon konkret für 2021 geplant, während ökologische Massnahmen wie die Aufweitungen noch «geprüft» werden sollen. Das rein technische Vorhaben erweckt den Eindruck, dass die Massnahmen von Liechtenstein und St. Gallen unabhängig und losgelöst von den ökologischen Grundsätzen des Entwicklungskonzeptes Alpenrhein durchgezogen werden sollen. Die Umweltverbände wurden verschiedentlich zu Informationsanlässen eingeladen, an denen sie spärliche und sehr allgemeine Informationen erhielten. Ein «Strategiebericht», auf den sich die Behörden in Liechtenstein und St. Gallen nun berufen, wurde ihnen nie zur Kenntnis gebracht, geschweige denn wurden sie um ihre Meinung dazu gebeten.
Dies ist ein Vorgehen aus einer vergangenen Zeit und entspricht den heutigen Anforderungen an einen partizipativen Planungsvorgang mit dem Einbezug aller Betroffenen in keiner Weise. Zu diesem Vorgehen passt auch, dass in der jüngeren Vergangenheit ökologisch äusserst wertvolle, bestockte Kiesbänke mit dem Verweis auf Querschnittsverengungen und Hochwassersicherheit gerodet bzw. abgebaut wurden. Dies an Stellen, wo sich das Rheinbett auf Grund von übermässigen Kiesentnahmen im Oberlauf über die Jahrzehnte bereits um fünf Meter gesenkt hat, so dass eine befürchtete temporäre Erhöhung des Wasserpegels um einen Meter die Hochwassersicherheit nicht gefährden kann. Dass auf diesen Kiesinseln sowohl gefährdete und geschützte Pflanzen (unter anderem die Deutsche Tamariske) als auch stark gefährdete und geschützte Vögel (Flussregenpfeifer) ihren Lebensraum gefunden hatten, wurde ausser Acht gelassen.
Die Werkstatt Faire Zukunft fordert die Regierungen von Liechtenstein und St. Gallen auf, eine Gesamtstrategie für den liechtensteinisch-schweizerischen Rheinabschnitt vorzulegen, der sowohl die Sicherheit als auch die ökologischen Aspekte behandelt. Diese Gesamtstrategie muss auch dazu führen, dass die bereits vor 15 (!) Jahren im Entwicklungskonzept Alpenrhein festgelegten Rheinaufweitungen endlich umgesetzt werden.
Stellungnahme der Werkstatt Faire Zukunft vom 21. Dezember 2020 als PDF.
Am gleichen Tag versandte Stellungnahme der Liechtensteinischen Gesellschaft für Umweltschutz LGU.
«Rheindamm-Abschnitte werden saniert» im Liechtensteiner Vaterland vom 12. Dezember 2020
«Rheindammsanierung zwischen Bevölkerungsschutz und Ökologie» im Liechtensteiner Volksblatt vom 12. Dezember 2020
«Tal vor Überflutung schützen» und «Ein ‚Meilenstein‘ am Rhein» im Werdenberger & Obertoggenburger vom 12. Dezember 2020